Haushaltsrede 2022  (Es gilt das gesprochene Wort)

Dietmar Schwalm DGB 3Liebe Mitbürgerinnen!

Liebe Kolleginnen im Kreistag!

Sehr geehrter Herr Landrat!

Sie werden schon bei der Anrede gemerkt haben, dass ich in diesem Jahr in Sachen „Gendern“ eine einfache Variante gewählt habe.

Wenn in meiner Rede alle möglichen Geschlechter gemeint sind, nutze ich die weibliche Form.

Als Gegenleistung müssen aber alle Frauen und jüngere Menschen hier im Saal - coronabedingt leider nur für circa 10 Minuten - akzeptieren, dass ein alter Mann seine Weisheiten kundtut.

Fange ich mit der Gesundheit an, die in den letzten Monaten immer wieder Thema im Kreistag war.

Ich wollte aber hier nicht über Corona reden, sondern über die Krankenhaus-Situation im Hochsauerlandkreis.

Mein Bürgermeister hat mir vor einiger Zeit gesagt, ich solle doch glücklich sein darüber, dass ich in Arnsberg-Hüsten ein so tolles Krankenhaus direkt vor meiner Haustür habe.

Ich weiß, dass er wie ich Gewerkschafter ist und politisch links von der Mitte steht. Er scheint aber manchmal den für solche Menschen wichtigen Begriff der Solidarität vergessen zu haben. Auch das hier formulierte Kirchturm-Denken ist mir fremd.

Deshalb mache ich mir auch Gedanken, wie es den Menschen im restlichen Kreisgebiet geht, die aufgrund des „Superkrankenhauses“ in Hüsten demnächst keine Möglichkeit der stationären Grundbehandlung in erreichbarer Nähe haben.

Der Anfang ist der Standort Winterberg. Aber auch an anderen Standorten wird sich bald die Frage der Wirtschaftlichkeit stellen.

Genau das ist das Grundproblem, auf das die Volksinitiative „Gesunde Krankenhäuser“ in ihren Aktionen überall in unserem Lande hinweist.

Das Gesundheitssystem darf keine Ware sein, bei der nur die Wirtschaftlichkeit zählt, sondern muss gemeinwohlorientiert, das bedeutet wohnortnah sowie bedarfsorientiert sein.

Um weitere Privatisierungen zu verhindern, muss aus meiner Sicht auch im Notfall der Kreis als Träger einspringen können.

Liebe Zuhörerinnen hier im Konzertsaal Olsberg, folgenden Satz kennt man eventuell aus dem täglichen Familienalltag.

Du böses Mädchen,

Du hast nicht gefragt und hast einfach gemacht.

Das hast Du nun davon.

Dann musst Du sehen, wie Du klar kommst.

Genau dieses ist auch Tenor der Beschlussvorlage in Sachen Förderung der Frauenberatungsstelle Arnsberg.

Herr Dr. Schneider, seien Sie doch froh, dass es solche engagierte flexible Beratungseinrichtungen gibt, die in der Corona-Notlage schnell reagiert haben. Sie sollten sie daher nicht wegen der fehlenden frühzeitigen Information für eine in der Sache richtige Vorgehensweise bestrafen und den erhöhten Zuschuss vollständig akzeptieren.

Weiterhin stehe ich einhundertprozentig hinter der Entscheidung, auch die Frauenberatungsstelle in Meschede stärker zu fördern.

Es muss aus meiner Sicht im Hochsauerlandkreis für alle Lebenslagen eines Menschen niederschwellige unabhängige Beratungsmöglichkeiten geben.

Deswegen verstehe ich auch nicht, dass Sie schon wieder den Zuschussantrag für die Beratungsstelle Tamar der evangelischen Frauenhilfe Soest ablehnen.

Interessant finde ich in diesem Jahr die Begründung.

Herr Landrat, Sie argumentieren, dass die Ausübung der Prostitution pandemiebedingt seit März 2020 während längerer Zeiträume durch die jeweiligen Coronaschutzverordnungen des Landes NRW verboten war.

Aber genau dieses ist für mich ein Argument, dass es in dieser Zeit besonders wichtig ist, diesen Frauen ein niederschwelliges Beratungsangebot vorzuhalten.

Das Gesundheitsamt kann dieses vor allem jetzt pandemiebedingt nicht leisten. Es hat zurzeit viel wichtigere Aufgaben zu „wuppen“.

Um eventuell den Beratungsbedarf in unserer Gesellschaft zu vermindern, müssten aus meiner Sicht durch mehr und bessere Bildung die Menschen aus ihren prekären Lebenssituationen herausgebracht werden.

Ein wichtiger Baustein für bessere Bildung ist die Digitalisierung.

Unsere Fraktion hat einen Antrag auf den Weg gebracht, der erst einmal den Digitalisierungsstand und den zukünftigen Bedarf ermitteln soll.

Bereits vor der Corona-Epidemie war bekannt, dass die Internetanbindung sowie die IT-Ausstattung an vielen Schulen häufig unzureichend waren. Während der Pandemie und der kurzfristigen Einführung von Online-Unterricht wurden die Probleme, die die mangelhafte Ausstattung mit sich brachte, transparent. Die Qualität der Unterrichte wurde zusätzlich durch die schlechte Internetanbindung und IT-Ausstattungen beeinträchtigt.

Es wurden Maßnahmen zur Verbesserung eingeleitet, jedoch hören wir von Schülern, Eltern und auch Lehrern, dass bis heute diese Situation zum Teil weiterhin unbefriedigend ist.

Der Status der Qualität der Internetanbindung und der IT-Ausstattungen in den kreiseigenen Schulen ist aus Sicht unserer Fraktion nicht transparent.

Noch weniger klar ist, welche Komponenten für unzureichende Performance verantwortlich sind.

Wir hoffen auf breite Unterstützung unseres Anliegens, hier die erforderliche Transparenz zu schaffen und Maßnahmen aufzusetzen, um die Lehre an den Schulen optimal zu unterstützen.

Herr Landrat, Sie haben in Ihrer Haushaltrede versprochen, dass jedes Kind, was eine Hilfe braucht, diese auch im Hochsauerlandkreis bekommen soll.

Ich werde Sie beim Wort nehmen. Sie haben jetzt mit dem neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz bessere Möglichkeiten bekommen, zu überprüfen, ob Sie auch ausreichend sozialpädagogisches Personal im Jugendamt haben.

Ja, Sie sind jetzt sogar dazu verpflichtet, regelmäßig Personalbemessungen vorzunehmen.

Weiterhin müssen sie noch stärker niederschwellige sozialpädagogische Angebote im Sozialraum fördern, damit diese auch Bestandteil eines frühzeitig greifenden Hilfesystems werden können.

Unsere letzte Forderung aus dem reformierten Gesetz ist, dass bei Entscheidungen über das jetzt verbindlich vorgeschriebene Angebot von ausreichender Schulsozialarbeit der Jugendhilfeausschuss einen größeren Stellenwert im Vergleich zum Schulausschuss bekommt.

Liebe Zuhörerinnen, komme ich nun zu ein paar grundsätzlichen Aussagen zur aktuellen Kita-Diskussion, die im Mittelpunkt der letzten Jugendhilfeausschuss-Sitzung stand.

Nicht nur, weil ich selbst Großvater von 3 Kita-Kindern bin, glaube ich eine gewisse Kompetenz in dieser Thematik zu haben.

Da nicht damit zu rechnen ist, dass der aktuelle sehr hohe Bedarf an Kita-Plätzen ewig so bleiben wird, sollte man folgende Dinge beachten.

Erst einmal muss so geplant werden, dass dauerhaft auch in den größeren Ortsteilen unserer Städte und Gemeinden immer eine Kindertagesstätte zum Ortsmittelpunkt gehört. Das erhöht aus meiner Sicht die Attraktivität der Dörfer.

Und das „Rumkutschieren“ von Kindern in die Kernstadt ist nicht gerade klimafreundlich.

Deswegen muss meines Erachtens in den Stadtkernen flexibler gebaut werden.

Containerlösungen zum Beispiel haben in der heutigen Zeit eine viel bessere Qualität als in meiner Schulzeit. Den Kindern wird die Bauweise egal sein, Hauptsache die pädagogischen Angebote stimmen.

Es wäre auch sinnvoll, wenn die freien Träger, die oft in vielen sozialen Aufgabenfeldern tätig sind, sich Gedanken über eine Gebäude-Nachnutzung der in einigen Jahren nicht mehr erforderlichen Kita-Plätze machen.

Viele alte Menschen wird es dann nämlich weiterhin geben.

Aus meiner Sicht wäre das neben dem Verzicht auf Bauzuschüsse durch das Land NRW auch ein weiteres Argument gegen das Investorenmodell. Kürzere Mietgarantien durch das Kreisjugendamt werden von den Investoren nicht akzeptiert werden.

Was mir seit der letzten Jugendhilfeausschuss-Sitzung besondere Sorgen macht, ist die Tatsache, dass jetzt unter dem falsch verstandenen Deckmantel der Trägervielfalt ein Anbieter in den Zuständigkeitsraum des Kreisjugendamtes einzieht, dessen Muttergesellschaft in Skandinavien ein börsennotiertes Unternehmen ist und der nach eigenen Aussagen im Briloner Sozialausschuss nur auf Expansion aus ist.

Dabei erleben wir aktuell im Gesundheitsbereich, welche negativen Folgen die Privatisierung für dieses System hat.

Weiter geht es jetzt mit dem gewerkschaftlichen Teil meiner Rede.

Die ökologische Transformation macht keinen Halt vor unserer Kreisverwaltung.

Auch hier muss genau hingeschaut werden, an welcher Stelle Ressourcen verbraucht werden, die unserem Klima schaden, und wie diese durch Veränderung der Arbeitsvorgänge eingespart werden können.

Ein guter Schritt in die richtige Richtung ist da die Digitalisierung.

Aber auch da muss aufgepasst werden, ob nicht durch den erhöhten Strombedarf der Server und Endgeräte neue „Klimakiller“ entstehen.

Für mich als gewerkschaftlich orientierter Mensch ist es besonders wichtig, dass bei den Veränderungen durch die ökologische Transformation auch in unserer Kreisverwaltung die Beschäftigten frühzeitig mitgenommen werden und ihnen nicht kurz vor „Tore-Schluss“ das Neue einfach übergestülpt wird.

Die Kreisverwaltung kann auch Klimaschutz-Vorbild für ihre Beschäftigten sein, in dem zum Beispiel nur noch Ökostrom-Verträge abgeschlossen werden.

Eine Bezuschussung von ÖPNV-Fahrkarten, E-Bikes und von Fahrgemeinschaften könnte die Anzahl der PKW-Einzelfahrten zum Arbeitsplatz reduzieren.

Denn Klimaschutz fängt auch im Kleinen an!

Ein weiteres Thema ist der immer wieder bejammerte Fachkräftemangel.

Ich kann diesbezüglich als einer der wenigen gewerkschaftlich orientierten Politiker hier im Saal den Landrat zum wiederholten Male auffordern, sich auf der Arbeitgeberseite für höhere Löhne einzusetzen.

Dann werden Sie, Herr Dr. Schneider, auch wieder die Beschäftigten einstellen können, die Sie an vielen Stellen dringend benötigen.

Und dann möchte auch ich noch zum wiederholten Male auf die Arbeitssituation von Schulbegleiterinnen an den kreiseigenen Schulen hinweisen.

Diese prekären Arbeitsbedingungen müssen schnellstens beendet werden, in dem der SPD-Antrag von allen Kreistagsmitgliedern befürwortet wird.

Jetzt gehe ich noch kurz konkret auf den vorgelegten Haushalt für das Jahr 2022 ein.

Obwohl wir mit unserer kleinen Fraktion leider nicht die Ideen der „GagagroKo“ überstimmen können, möchte ich an dieser Stelle trotzdem drei wichtige Aussagen machen.

Die erwartete Gehaltssteigerung muss aus meiner Sicht als Gewerkschafter nachgebessert werden, da eine Corona-Einmalzahlung auch für die Beamtinnen in der Kreisverwaltung in den nächsten Wochen beschlossen wird. So hat es wenigstens der neue NRW-Ministerpräsident gegenüber den Gewerkschaften angedeutet.

Auch findet unsere Fraktion es nicht gut, dass die im Haushaltsjahr eventuell zu viel eingenommen Gelder der Kommunen nicht an diese in voller Höhe zurückgegeben werden, da diese auch jeden Cent dringend benötigen.

Und ich erwarte umgekehrt aber auch von den Kommunen, dass sie sich untereinander mehr solidarisch zeigen und die Schwächeren über die Kreisumlage unterstützen.

Lassen Sie sich überraschen, wie wir gleich abstimmen.

Ich bedanke mich bei allen Zuhörerinnen für Ihre Aufmerksamkeit und bei ein paar Einzelnen hier im Saal auch für ihre Unaufmerksamkeit.

Auch ich wünsche neben den Kolleginnen im Kreistag besonders den Mitarbeiterinnen der Verwaltung ruhige und besinnliche Momente in den Tagen bis zur Jahreswende.

Kommen Sie gut ins Neue Jahr!

 

Dietmar Schwalm (stellvertretender Fraktionsvorsitzender)