Haushaltsrede 2021  (Es gilt das gesprochene Wort)

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Kreistag!

Sehr geehrter Herr Landrat!

Ich hatte es ja Ende 2019 angekündigt und es ist tatsächlich so eingetroffen!

Ich stehe wieder hier und darf Ihnen die Sichtweisen meiner neuen Fraktion zum Haushalt 2021 und den wichtigsten politischen Forderungen darlegen.

Da der unfehlbare Landesverband meiner Herkunftspartei den hiesigen Kreisverband aufgelöst hat, bin ich nun ein freier Linker und passe daher gut zu der neuen Fraktion, die Hans Klein von den Freien Wählern im Hochsauerland und ich gebildet haben.

Auch wenn es mittlerweile durch die Corona-Pandemie zu einem Schimpfwort geworden ist, werden wir weiter kommunalpolitisch „queerdenken“ und uns nur bei vernünftigen bürgerorientierten Einzelfällen den Fraktionen der „GagagroKo“ anschließen.

Pandemiebedingt werde auch ich mich in diesem Jahr aber etwas kürzer fassen.

Zuerst möchte ich zu einem Thema kommen, bei dem es in den nächsten Haushaltsjahren keine Sparmöglichkeiten gibt. Umgekehrt ist es aber aus meiner Sicht eine sinnvolle Investition in die Zukunft, sinnvoller als zum Beispiel die weitere Bezuschussung des Paderborner Flughafens.

Es geht um den Erweiterungsbau der Roman-Herzog-Schule in Brilon.

Ich möchte an dieser Stelle nicht tiefer in die pädagogische Begründung für eine zusätzliche Schule eingehen, sondern möchte diese Vorlage im nächsten Sitzungslauf in den Fachausschüssen einfach nochmal diskutieren lassen.

Deswegen bitte ich Sie, gleich bei der Abstimmung darüber, den endgültigen Beschluss auf die nächste Kreistagssitzung zu verschieben. Auch wenn dieses eine Verzögerung mit sich bringt, sollte sich der Kreistag, also Sie, meine Damen und Herren, an eine alte Weisheit erinnern: „Gut Ding will Weile haben“.

Und ich hoffe, mit einer späteren geänderten Entscheidung kann nebenbei auch verhindert werden, dass es zu einer Aufnahmesperre für die Kinder und Jugendlichen aus anderen Kommunen kommt, die aufgrund eines Jugendhilfebedarfs in unserer ländlichen Region untergebracht werden sollen.

Wir müssen Mauern abreißen anstatt, wie es heute wieder in Mode gekommen ist, neue Mauern aufbauen!

Bleiben wir noch kurz auf dem Themenfeld, das die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen betrifft.

Der Antrag der CDU, mit dem Ziel die Kinder- und Jugendarbeit stärker mit den Schulen und der Schulsozialarbeit zu verknüpfen, hat viele gute Ansätze.

Ich hoffe aber aus meinen negativen Erfahrungen der letzten Wahlperiode, dass sich diesmal die Jugendhilfepolitikerinnen und -politiker in der CDU gegenüber denen aus der Schulpolitik durchsetzen.

Ansonsten wird aus dem Antrag wieder nur ein „Lückenfüller“ für fehlendes Personal an den Schulen, um mit den Fachkräften aus der Kinder- und Jugendarbeit die dadurch entstehenden Probleme halbwegs aufzuarbeiten.

Aus meiner sozialpädagogischen Sicht muss Ziel der Zusammenarbeit ein ernstgemeintes Nehmen und Geben sein. Und das kann in der Anfangszeit bzw. für den Anschub, wie bei vielen anderen neuen Projekten, einen zusätzlichen finanziellen Bedarf bedeuten.

Zum Schluss möchte ich noch für dieses Themenfeld eine Anregung, Bitte oder Forderung formulieren:

Setzen wir unsere Kräfte dafür ein, dass für die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen alles getan wird, damit die negativen Auswirkungen der Pandemie für sie möglichst geringgehalten werden.

Deswegen würde ich als 63-jähriger gesunder Ruheständler gerne auf meinen Impfanspruch zugunsten der pädagogischen Kräfte in Kitas, Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit freiwillig verzichten.

Auch bei vielen anderen systemrelevanten Berufen sollte deshalb eine andere Impfreihenfolge erarbeitet werden.

Aus dem gleichen Grund darf der finanzielle Pandemieschaden ebenfalls nicht auf die Generation unserer Kinder und Enkelkinder abgewälzt werden.

Komme ich nun zu dem in den letzten Wochen -aus meiner Sicht berechtigt- hochgekochten Thema „Rettungsdienst“.

Auch hier will ich nicht auf die einzelnen inhaltlichen Details eingehen. Das sollen unsere Fachleute in den Ausschüssen machen.

Ich möchte an dieser Stelle nur für etwas Verständnis werben - dafür, dass Personal im öffentlichen Dienst anonym „Brandbriefe“ schreibt.

Ich bin jetzt über 40 Jahre selbst im öffentlichen Dienst tätig gewesen und war -und bin es immer noch- gewerkschaftlich mit vielen anderen Kommunen vernetzt.

Die Loyalität der Bediensteten zu ihrer Arbeitgeberin bzw. ihrem Arbeitgeber wird in den letzten Jahren aus meiner Sicht zu stark in den Vordergrund gestellt.

Deswegen haben auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Angst, berechtigte Kritik vorzubringen. Diese ertragen dann die Defizite halt schweigend, u. a. auch aus Karrieregründen.

Es gibt daher nur 2 Möglichkeiten. Entweder man schreibt anonym oder verzichtet durch Nennung des Namens auf finanziell bessere Zeiten.

Aus diesem Grund behaupte ich, dass in vielen anonymen Schreiben auch ein großer Anteil an Wahrheit liegt, da es sich ja meistens um die Sichtweise der Basis handelt.

Ich hoffe deshalb, dass die Verwaltungsleitung mehr Kraft in die Aufarbeitung der inhaltlichen Themen steckt und finanziell sowie personell nachbessert, als in die Recherche, wer der „Anonymus“ ist.

Inhaltlich möchte ich aber zum Schluss dieses Themas die Arnsberger CDU loben, die sich für den Erhalt der Rettungswache in Neheim einsetzt, aber dieses bitte nicht auf Kosten anderer!

Zum Bereich „ÖPNV“ habe ich nur 2 kurze Anmerkungen.

Ich habe mittlerweile den Überblick verloren, zum wievielten Male jetzt die neuen PesaLink-Züge wieder zurück in die polnische Herkunftswerkstatt geschickt worden sind.

Nach Recherchen im Internet über Erfahrungen auf anderen Strecken ist mir dieses aber mittlerweile egal, da die alten „Eifel-Züge“ einen einigermaßen guten Dienst auf der Ruhrtal-Strecke tun und somit die Menschen ohne Störungen auch zum Impfzentrum gelangen können.

Und dann wollte ich den Landrat als ÖPNV-Verantwortlichen daran erinnern, dass er die Bürgerinnen und Bürger wortwörtlich „nicht im Regen stehen lassen sollte“, die aufgrund der pandemiebedingten Ausfälle der Bürgerbusse keine Möglichkeiten haben, aus ihren Orten und Ortsteilen weg- und wieder zurückzukommen.

Auch hier wird es bei länger andauernder Pandemie einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf geben.

Apropos: Bei diesem Verkehrsproblem kann uns der wunderbar, jedoch unnütz, ausgebaute Flughafen Paderborn-Lippstadt leider auch nicht weiterhelfen.

An dieser Stelle passt dann der inhaltliche Übergang zum Straßenverkehr.

Es gibt 2 Bereiche im Kreisgebiet, wo es nicht sein kann, dass aufgrund der schwierigen Abwägung zwischen den Interessen aus der Ökologie und derer der Bevölkerung und potentiellen Nutzer gar nichts passiert.

Das wäre einmal der jahrelange Versuch, die A 46 per Umgehungsstraße im westlichen Bereich des Kreisgebiets anzubinden und im östlichen eine ähnliche Straßenform an Brilon vorbei in Richtung Paderborn zu planen.

Da wir nicht einen sofortigen Umstieg in den ÖPNV schaffen - was aus meiner Sicht am sinnvollsten wäre - , sollte der Landrat mit Unterstützung des Kreistags zwischen den Interessensträgern vermitteln, damit zeitnah eine bauliche Lösung gefunden wird, die auch die Lebensqualität der Menschen im Auge hat und nicht vorrangig die Forderungen der Wirtschaft.

Lassen Sie uns noch einen Moment bei den Straßen, diesmal bei den kreiseigenen, bleiben.

Mitglieder meiner Fraktion haben mich schon öfters gefragt, welche Kosten und Vorteile die Leitplanken entlang der Straßen um fast jeden Straßenbaum herum haben. Sie schütteln nur den Kopf über so viel Geldverschwendung. Herr Landrat, stellen Sie meinetwegen Warnschilder auf und überlassen Sie ansonsten jedem selbst, sich zu gefährden. Eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit ist an vielen Stellen alternativ ausreichend und kostengünstiger.

Der Freiflächenverbrauch ist noch ein weiteres Konfliktthema zwischen Ökologie und unseren Lebensbedürfnissen.

In den Haushaltsberichten der Kommunen und in der Zeitung erfährt man immer wieder, wie großzügig derzeit erneut Wohn- und vor allem Gewerbegebiete ausgewiesen werden.

Hier ist - obgleich in der letzten Fachausschuss-Sitzung am Negativbeispiel des Gewerbegebietes Enste von dem kommunenübergreifenden, freiwilligen Arbeitskreis beschrieben - noch kein Umdenken zur Beseitigung des viel zu hohen Freiflächenverbrauchs erfolgt.

In NRW sind das immerhin rund 15 Hektar pro Tag!

Die Städte und Gemeinden im Kreisgebiet sollte der Landrat als Verantwortlicher für die Ökologie im Kreis darauf hinweisen, dass sie als Erstes die vielen Leerflächen in ihren Kommunen beseitigen, bevor sie – ggf. in Zusammenarbeit mit der Nachbarkommune – nur die unbedingt notwendigen Flächen zur Verfügung stellen.

Es muss ein Ende haben, ständig den Unternehmen die bestmöglichen Standortbedingungen zu Lasten der Umwelt anzubieten. Das ist auch nicht im Interesse der Beschäftigten, die hier mit ihren Angehörigen leben und nicht nur überleben wollen.

Ich komme jetzt unter dem Motto „Danken, Wünschen und Erinnern“ zum „Schluss-Ritual“ meiner Rede.

Zuerst einmal möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre geleistete Arbeit im letzten Jahr bedanken.

Ich weiß selbst, dass nicht nur Personal des Gesundheitsamtes aufgrund der Pandemie viele Stunden unter höchsten Arbeitseinsatz verbracht haben. Es sind bei allen die derzeitigen Arbeitsbedingungen, die häufig zu krankheitsbedingten Ausfällen führen.

Ich werde auf gewerkschaftlicher Seite dafür kämpfen, dass die Arbeitgeberseite dieses Engagement in den nächsten Jahren nicht vergisst!

Nach dem Dank kommen jetzt die Wünsche.

Als Vertreter einer kleineren Fraktion möchte ich auch an dieser Stelle den Hinweis geben, dass auch zukünftig unsere Wortbeiträge in den Ausschüssen und im Kreistag korrekt und ausreichend dokumentiert werden.

Inhaltliche Zusammenfassungen dürfen nicht dazu führen, dass die Meinung der Verwaltung bzw. der dominierenden Personen in der „GagagroKo“ noch stärker in den Vordergrund rückt.

Dieses darf dann auch keinesfalls soweit gehen, dass wahrheitsgemäße Protokollkorrekturen unterbleiben, weil sie mehrheitlich ablehnt werden.

Die Protokolle hatten in der Vergangenheit meistens eine sehr hohe Qualität. Das soll auch so bleiben! Dafür an dieser Stelle auch ein kleines Dankeschön!

Erinnern möchte ich den Landrat an eine Passage aus der Haushaltsrede des Kollegen Ludwig Schulte aus dem letzten Jahr, in der er, ähnlich wie ich schon in den Jahren zuvor, Ausbildungsmöglichkeiten bei der Kreisverwaltung für junge Menschen mit Behinderungen eingefordert hat. Hat sich da etwas getan, Herr Dr. Schneider?

Sie sind jetzt bestimmt ganz gespannt, ob wir dem Haushalt zustimmen? Die Antwort kommt sofort.

Wegen der von uns vorgeschlagenen Ideen darf es wegen der Finanzierung in der Zukunft keinen Griff in die Rücklagen geben.

Deswegen lehnen wir den Haushaltsentwurf ab.

Ich weiß natürlich, dass das wie immer so eine Wirkung hat, als wenn in China ein Sack Reis umfällt.

Beim Stellenplan werden wir zustimmen, da es einige sinnvolle Stellenergänzungen gibt (z.B. im Allgemeinen Sozialdienst und in der Kfz-Zulassung).

Ich bedanke mich bei allen Zuhörerinnen und Zuhörern hier im Saal und zum ersten Mal auch im Live-Stream für Ihre Aufmerksamkeit.

Für die Fraktionsmitglieder, die an dieser Rede mitgearbeitet haben, gibt es an dieser Stelle auch ein Dankeschön!

Ich wünsche Allen ein hoffentlich bald coronafreies Jahr 2021!

 

Dietmar Schwalm (stellvertretender Fraktionsvorsitzender)