Vom Einreiseverbot für „schwierige“ Kinder- und Jugendliche und der versteckten AfD-Forderung nach der „Herdprämie“

Bericht aus der Jugendhilfeausschuss-Sitzung am 02.02.2021

Dietmar Schwalm DGB 3Es war die erste inhaltliche Sitzung unter der Leitung der neuen Vorsitzenden Nathalie Evers-Stumpf. Ich war gespannt, wie sich die fachliche Diskussion unter der neuen Moderatorin verändern würde.

Und das tat sie auch tatsächlich. Das Einzige, was ich aus meiner beruflichen Sicht zu bemängeln hätte, wäre, dass sich die Kreistagskollegin neben der schulpädagogischen Brille auch ab und zu mal die sozialpädagogische Brille aufsetzen sollte. Ansonsten hatte sie gute inhaltliche Ansätze und Gedanken.

Und das mit dem „Nicht-immer-Drankommen“, wie ich es unter ihrem Vorgänger gewohnt war, liegt jetzt nur noch daran, dass ich zu weit außen sitze. Und das werde ich in der nächsten Sitzung verändern.

Ich möchte jetzt als Erstes auch begründen, warum ich mir die „sozialpädagogische Brille“ bei der Vorsitzenden wünsche.

Beim mündlichen Bericht der Verwaltung über eine geplante neue Jugendhilfeeinrichtung in Brilon-Wald gab es, anstatt nur über die Qualitäten und Lage dieser Einrichtung zu sprechen, eine erregte Diskussion über die Auswirkungen von zu vielen solcher Einrichtungen im östlichen Kreisgebiet.

Der Idee von CDU und SPD ein „Einreiseverbot für schwierige Kinder- und Jugendliche“ (d.h. eine Beschränkung der Anzahl der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen) beim Landesjugendamt zu bewirken, werde ich mich nicht anschließen.

Es gibt nämlich 2 Gründe, warum so viele Träger ihre Häuser im Hochsauerlandkreis betreiben.

Da wäre zuerst der sozialpädagogische Grund. Kinder und Jugendliche aus städtischen Wohnbereichen sollen in ländlicher Umgebung zur Ruhe kommen und mit weniger negativen Einflüssen konfrontiert werden.

Der andere Grund ist finanzieller Art. Je günstiger der Tagessatz für eine Unterbringung ist, desto eher bekommen die sozialpädagogischen Fachkräfte in den Jugendämtern ein Einverständnis der Leitung, da in der kommunalen Jugendhilfe häufig auch zu wenig Finanzmittel zur Verfügung stehen. Denn niedrige Mieten haben geringe Tagessätze zur Folge.

Natürlich verstehe ich die Sorgen der pädagogischen Fachkräfte besonders der Förderschulen in dieser Region. Es gibt zu wenig Raum und zu wenig Lehrpersonal für diese vielen zusätzlichen jungen Menschen aus der ganzen Republik.

Aber anstatt diese Kinder und Jugendliche, die meistens nicht verantwortlich für ihre Situation, „auszusperren“, sollte man in den nächsten Sitzungen des Jugendhilfeausschusses nach gemeinsamen sinnvollen Lösungen suchen, für eine bessere Infrastruktur zu sorgen und u.a. die Schulen damit zu entlasten.

Da könnte man zuerst eine Idee aufgreifen, die leider vor einigen Jahren wegen der fehlenden Beteiligungs-Zusage eines Einrichtungsträgers gescheitert ist. Es sollte damals eine Gruppe eingerichtet werden, in die Schülerinnen und Schüler gehen sollten, wenn sie vorübergehend in der normalen Klasse nicht beschult werden konnten. Denn ein Schulverweis wird ja meistens noch als Belohnung angesehen.

Die andere Lösung wäre, anstatt die Roman-Herzog-Schule mit einem Anbau zu erweitern, an einem anderen geeigneten Standort im östlichen Kreisgebiet eine weitere eigenständige Förderschule zu errichten. Aus meiner Sicht sind gerade für diese Schülerinnen und Schüler kleinere Schulen die pädagogisch bessere Lösung. Und vielleicht steigt dann auch die Attraktivität dieser Schulen für das noch fehlende Lehrpersonal.

Zu diesem Punkt wird unsere Fraktion in den nächsten Tagen noch einen Antrag an den Kreistag und die Fachausschüsse (Bau, Jugend und Schule) formulieren

Und anstatt einen gemeinsamen „Nichtunterbringungs- Appell“ an das Landesjugendamt zu richten, sollte man lieber die Chance der aktuellen Novellierung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB XIII) nutzen und die Landesregierung auffordern, bei einem neuen Landesausführungsgesetz hierzu über finanzielle Ausgleichsregelungen für stark frequentierte ländliche Regionen nachzudenken. Dann könnte vor Ort auch eine passende Infrastruktur (nicht nur das Schulangebot) geschaffen werden.

Ich frage mich, was unsere JHA-Mitglieder sagen würden, wenn der Jugendhilfeausschuss auf Norderney ähnliche „Aussperrungsideen“ hätte.

Und die neue Einrichtung in Brilon-Wald sollte nicht wegen der hohen Anzahl der Einrichtungen insgesamt verhindert werden, sondern nur, weil sie an einem nicht geeigneten Ort zwischen einem Bordell und einer Suchtklinik errichtet werden soll.

Beim Thema „Haushaltszahlen für das Jugendamt“ kann ich nur kurz sagen, egal welche Zahlen man festschreibt, das reale Leben bringt diese Zahlen immer zu Fall. Problemlagen in Familien und bei jungen Menschen kann man nicht durch Haushaltszahlen, sondern nur durch frühzeitige Prävention begrenzen.

Dass man die Kita- und Tageselterngebühren für alle Eltern für den Lockdown-Monat Januar erstattet, ist ein gutes Signal. Hier zu differenzieren, wer im Notangebot anwesend war oder nicht, hätte eine hohen unnötigen bürokratischen Aufwand zur Folge.

Und zum Schluss noch die Erklärung dazu, wie die AfD-Vertreterin „hintenrum“ versucht hat, eine Light-Version der pädagogisch sinnlosen „Herdprämie“ einzuführen.

Bei der Vorstellung der neuen Tagespfleg-Richtlinien kam von ihr der Vorschlag, auch Großeltern und andere Verwandte bei einer Einzelbetreuung als Tageseltern generell zuzulassen und sie nach diesen neuen Richtlinien zu entlohnen. Man kann sich über die neuen Qualitätsanforderungen für die Ausbildung der Tageseltern streiten, aber das Qualitätsmerkmal „Verwandtschaft“ reicht aus meiner Sicht auf keinen Fall aus, als Kita-Ersatz anerkannt zu werden.

Ich bin gespannt, mit was für „spinnerten“ Ideen die „inhaltliche Nachfahrin“ von Eva Braun demnächst noch so kommt.

Bei Rückfragen und Anmerkungen kann man sich bei mir unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. melden.

Dietmar Schwalm, Kreistags- und JHA-Mitglied

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